Reformpaket der Europäischen Kommission zur Änderung des europäischen Mehrwertsteuersystems

Am 4. Oktober 2017 hat die Europäische Kommission ihr Reformpaket zu einer der weitreichendsten Änderungen des europäischen Mehrwertsteuersystems vorgestellt. Durch die Neuregelung soll das System für Regierungen und Unternehmen gleichermaßen verbessert und modernisiert werden und zugleich der Missbrauch der Mehrwertsteuer im grenzüberschreitenden Bereich durch skrupellose Unternehmen eingedämmt werden.

Mit dem Reformpaket schlägt die Kommission vor, das derzeitige Mehrwertsteuersystem grundlegend dahingehend zu verändern, dass der Verkauf von Waren von einem EU-Land in ein anderes in gleicher Weise besteuert wird, wie der Verkauf von Waren innerhalb desselben Mitgliedstaats. Diese würde die Abkehr vom derzeitigen Ursprungslandprinzip unter Anwendung der Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung hin zum Bestimmungslandprinzip bei gleichzeitiger Steuerpflicht bedeuten. Unternehmer hätten dann für ihre grenzüberschreitenden Lieferungen Rechnungen mit der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes an den Abnehmer auszustellen. Eine hieraus zunächst resultierende umsatzsteuerliche Registrierungspflicht soll durch die Ausdehnung des Mini-One-Stop-Shop (sog. MOSS) Verfahrens, das bereits für grenzüberschreitende elektronische Dienstleistungen an Privatabnehmer seit 1. Januar 2015 gilt, vermieden werden. Damit wird ein neues und endgültiges Mehrwertsteuersystem für die EU geschaffen.

Folgende grundlegende Prinzipien verfolgt die Europäische Kommission damit:

  • Betrugsbekämpfung: Künftig wird auf den grenzüberschreitenden Handel zwischen Unternehmen Mehrwertsteuer erhoben. Diese Art von Handel ist derzeit von der Mehrwertsteuer befreit, was skrupellose Unternehmen dazu verleitet, die Mehrwertsteuer einzuziehen und dann zu verschwinden, ohne die Mehrwertsteuer an die Regierung abzuführen.
  • zentrale Anlaufstelle: Dank einer zentralen Anlaufstelle wird es einfacher für grenzüberschreitend tätige Unternehmen, ihren mehrwertsteuerlichen Pflichten nachzukommen. Unternehmer können in einem einzigen Online-Portal in ihrer eigenen Sprache und nach den gleichen Regeln und administrativen Mustern wie in ihrem Heimatland Erklärungen abgeben und Zahlungen durchführen. Die Mitgliedstaaten leiten einander dann die Mehrwertsteuer weiter, wie dies bei elektronischen Dienstleistungen bereits der Fall ist.
  • größere Kohärenz: Umstellung auf das „Bestimmungslandprinzip“, bei dem der endgültige Betrag der Mehrwertsteuer stets an den Mitgliedstaat des Endverbrauchers entrichtet wird und dem in diesem Mitgliedstaat geltenden Satz entspricht.
  • weniger Bürokratie: Vereinfachung der Vorschriften für die Rechnungslegung, sodass die Verkäufer auch beim grenzüberschreitenden Handel Rechnungen gemäß den Vorschriften ihres eigenen Landes stellen können und Wegfall der Zusammenfassenden Meldung.

Ferner soll der Begriff des „zertifizierten Steuerpflichtigen“ eingeführt werden. Hierunter werden vertrauenswürdige Unternehmen verstanden, die von einfacheren und zeitsparenden Vorschriften profitieren werden, vermutlich vergleichbar dem AEO (Authorized Economic Operator) im Zollrecht.

Dieser Legislativvorschlag wird nun den Mitgliedstaaten im Rat zur Zustimmung und dem Europäischen Parlament zur Stellungnahme vorgelegt. Die Kommission wird anschließend im Jahr 2018 einen detaillierten Vorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie auf technischer Ebene vorlegen, damit die vorgeschlagene endgültige Mehrwertsteuerregelung reibungslos umgesetzt werden kann. Zudem wurden vier „schnelle Lösungen“ vorgeschlagen, die ab dem Jahr 2019 zur Anwendung kommen sollen. Weitere Einzelheiten des Reformpakets können Sie der Homepage der EU unter http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-3443_de.htm entnehmen.

Insoweit bleibt abzuwarten, wie die endgültige Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie aussehen wird. Es ist allerdings davon auszugehen, dass es keine wesentlichen Abweichungen zu dem vorgeschlagenen Reformpaket im Legislativverfahren geben wird. Unternehmer, die im grenzüberschreitenden Handel tätig sind, sollten die Entwicklungen aufmerksam verfolgen, um frühzeitig entsprechende Prozess- und Systemanpassungen in ihren Unternehmen vornehmen zu können. Hierbei sind wir Ihnen gern behilflich.

COMMENTS

There are no comments yet.