Grenzüberschreitende Warenlieferungen in ein inländisches Konsignationslager

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat sich mit Schreiben vom 10. Oktober 2017 erneut zu grenzüberschreitenden Warenlieferungen in ein inländisches Konsignationslager geäußert und damit die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 20. Oktober 2016, V R 31/15 und Urteil vom 16. November 2016 V R 1/16) umgesetzt.

Nach der bisher geltenden Auffassung galten Belieferungen aus dem EU-Ausland nach Deutschland über sog. Konsignations- bzw. Auslieferungslager als innergemeinschaftliche Verbringung, gefolgt von einer Inlandslieferung an den Abnehmer. Dies hatte für die Lieferanten stets aufwändige steuerliche Konsequenzen in Deutschland (umsatzsteuerliche Erfassung, Abgabe von Umsatzsteuererklärungen, Ausstellung von Rechnungen mit Steuerausweis) zur Folge.

Durch die Urteile des BFH und die nunmehr darauffolgende Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung hat sich die steuerliche Behandlung solcher Fälle unter bestimmten Voraussetzungen erheblich vereinfacht.

Für Fälle, bei denen der Abnehmer bezüglich der im übrigen Gemeinschaftsgebiet beginnenden Beförderung oder Versendung bereits feststeht, liegt nun kein innergemeinschaftliches Verbringen zur eigenen Verfügung mehr vor, sondern eine Beförderungs- bzw. Versendungslieferung an den Abnehmer. Diese gilt grundsätzlich mit Beginn der Beförderung oder Versendung als ausgeführt. Der Abnehmer stehe demnach fest, sofern er die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt habe. Dem stehe es auch nicht entgegen, falls die Ware kurzzeitig (für einige Tage oder Wochen) in einem auf Initiative des Abnehmers eingerichteten Auslieferungs- oder Konsignationslager im Inland zwischengelagert wird und der Abnehmer vertraglich ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Ware hat. Dies stellt nur eine kurzfristige Unterbrechung, aber keinen Abbruch der begonnenen Beförderung oder Versendung dar.

Ist der Abnehmer zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung nur ein wahrscheinlicher Abnehmer ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung, ist dieser einem zu diesem Zeitpunkt bereits feststehendem Abnehmer nicht gleichzustellen. In diesen Fällen liegt weiterhin eine innergemeinschaftliche Verbringung durch den Lieferanten vor, gefolgt von einer Inlandslieferung an den Abnehmer.

Bezüglich des Zeitpunktes der Lieferung gelten die allgemeinen Grundsätze. Daraus folgt, dass diese bei einem feststehenden Abnehmer „hinsichtlich der Verschaffung der Verfügungsmacht“ auch dann anzuwenden sind, wenn der Liefergegenstand kurzzeitig in einem Konsignations- und Auslieferungslager gelagert wird. Demzufolge ist bei einer solchen Direktlieferung der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Beförderung oder Versendung beginnt.

Folgendes ist deshalb künftig zu beachten:

Lieferanten bedürfen einer deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers und sollten für die Direktlieferungen künftig keine innergemeinschaftlichen Verbringungen mehr melden, sondern innergemeinschaftliche Lieferungen, deren Steuerbefreiung im Abgangsstaat anderen Voraussetzungen unterliegen kann.

Die Abnehmer müssen ihre Abläufe ebenfalls umstellen. Insbesondere haben sie im Hinblick auf die Direktlieferungen fortan innergemeinschaftliche Erwerbe – auch Intrastat-Meldungen – zu erklären und sollten es vermeiden, aus irrtümlich etwa noch mit Steuerausweis ausgestellten Rechnungen der Lieferanten die Vorsteuer abzuziehen. Diese Rechnungen sind vom Lieferanten zu korrigieren.

Da sowohl den BFH-Urteilen als auch aus dem Schreiben des BMF keine klare zeitliche Abgrenzung hinsichtlich der Lagerdauer zu entnehmen ist, muss zumindest die theoretische Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass die Finanzverwaltung bei einer Zwischenlagerung von mehreren Monaten eine Direktlieferung nicht anerkennen wird.

Auch bezüglich des Zeitpunktes der Lieferung ist künftig besondere Aufmerksamkeit geboten. Bei einer Direktlieferung fällt der Zeitpunkt nicht mehr mit der tatsächlichen Entnahme der Gegenstände aus dem Lager zusammen, sondern kann sich, zumindest aus deutscher Sicht, um Tage und Wochen vorverlagern – und somit unter Umständen in andere Veranlagungs- und Meldezeiträume fallen. Außerdem ist auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung für den innergemeinschaftlichen Erwerb zu achten, da dieser grundsätzlich von der Rechnungsstellung abhängt.

In Hinblick auf den Zeitpunkt der Lieferung wirkt sich das Schreiben indirekt auch auf innerdeutsche Lieferungen über Auslieferungs- und Konsignationslager aus. Auch in solchen Fällen kann sich der Zeitpunkt der Lieferung auf den Beginn der Beförderung oder Versendung vorverlagern, was sich auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung auswirken kann. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass der Lieferzeitpunkt auf den Rechnungen richtig angegeben wird.

Nachdem die geänderte Auffassung des BMF nach o. g. Schreiben grundsätzlich auf Lieferungen ab dem 1. Januar 2018 anwendbar sein sollte, hat das BMF mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 nunmehr die Anwendungsregelung auf Lieferungen ab dem 1. Januar 2019 festgesetzt. Insoweit ist es für Lieferungen vor diesem Zeitpunkt nicht zu beanstanden, wenn weiterhin die bisher geltenden Grundsätze durch die Steuerpflichtigen angewendet werden. Offenbar soll hierdurch seitens des BMF zugestanden werden, dass vorzunehmende Prozess- und Systemänderungen durch die Steuerpflichtigen einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf benötigen. Es ist betroffenen Unternehmern dringend anzuraten, die vertraglichen Grundlagen bzw. Geschäftsvorfälle nach den genannten Gesichtspunkten einer erneuten Prüfung auf umsatzsteuerlich korrekte Abbildung zu unterziehen, um Risiken aus der Änderung der Auffassung der Rechtsprechung und Finanzverwaltung zu vermeiden.

Sollten Sie Fragen haben, stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

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