Gastbeitrag Zollkanzlei Peterka – Mögliche zollrechtliche Auswirkungen des Brexit auf deutsche Unternehmen

Ausgangslage

Der 29. März 2019 ist ein Datum, das es sich zu merken lohnt. Denn mit Ablauf dieses Tages wird zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union (EU) mit Großbritannien ein Mitglied aus der Staatengemeinschaft austreten. Dieser Austritt wird mit dem Wort „Brexit“ beschrieben.

Eine Fristverlängerung über den 29. März 2019 hinaus darf angezweifelt werden, da diese einstimmig beschlossen werden muss. Einstimmig meint in diesem Zusammenhang die verbliebenen 27 EU-Mitgliedstaaten und Großbritannien.

Großbritannien ist ein wichtiger Handelspartner für die deutsche Wirtschaft. Nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes entfallen rund 12% der gesamten Verkäufe deutscher Unternehmen im EU-Binnenmarkt in Höhe von EUR 707,7 Milliarden im Jahr 2016 auf Handelspartnern in Großbritannien. Das entspricht einem Warenwert in Höhe von EUR 86,1 Milliarden. Damit ist Großbritannien für deutsche Unternehmen der zweitwichtigste Absatzmarkt in der EU.

Hauptsächliche Umsatzbringer sind Unternehmen aus den folgenden Branchen:

  • Automobilbranche mit EUR 30,1 Milliarden;
  • Datenverarbeitungsgeräte, elektronische und optische Erzeugnisse sowie elektrische Ausrüstungen mit EUR 9,3 Milliarden;
  • Maschinenbau mit EUR 9 Milliarden;
  • Metalle und Metallerzeugnisse mit EUR 6,3 Milliarden;
  • Pharmazeutische Erzeugnisse und ähnliche Waren mit EUR 6,2 Milliarden;
  • Chemische Erzeugnisse mit EUR 5,6 Milliarden.

Jedoch werden auch forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Gummi- und Kunststoffwaren, Möbel, Getränke, Nahrungs- und Genussmittel oder Bergbauerzeugnisse werden an Abnehmer in Großbritannien verkauft.

Warenbezüge aus Großbritannien hingegen, die von deutschen Unternehmen bezogen werden, weisen mit EUR 50,5 Milliarden ein deutlich geringeres Volumen auf. Aber auch hier sind die bereits oben aufgezählten Brachen federführend, wobei die Einfuhr von Erdöl und Erdgas in Höhe von EUR 2,49 Milliarden besonders zu erwähnen ist.

Mögliche Szenarien

Derzeit sind verschiedene Szenarien möglich, die von einem sog. „harten Brexit“ über ein Freihandelsabkommen bis zu einem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) reichen.

Harter Brexit meint dabei, dass zwischen der EU und Großbritannien keine Einigung über eine Übergangs- oder Anschlusslösung erzielt wird und Großbritannien für die EU ein Drittland wird. Aufgrund der sog. Meistbegünstigungsklausel sind alle Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO verpflichtet, alle handelspolitischen Vergünstigungen und Zollvorteile, die gegenüber einem Staat eingeräumt werden, anderen Staaten, mit denen die Meistbegünstigung vereinbart ist, diese Begünstigungen ebenfalls zu gewähren. Das bedeutet, gewährt Land A dem Partnerland B bestimmte Vergünstigen wie z.B. Zollermäßigungen, so muss diese Vergünstigung auch Land C gewährt werden.

Da aber Zollunionen ausdrücklich von der Verpflichtung zur Meistbegünstigung ausgenommen sind, wird Großbritannien hiervon nicht profitieren. Bei einem harten Brexit müssen Zollförmlichkeiten erfüllt und Einfuhrzölle beim Warenimport gezahlt werden.

Auch im Falle eines sofortigen Freihandelsabkommens zwischen der EU und Großbritannien, welches zu zahlende Zölle reduziert oder völlig wegfallen lässt, bleiben administrative Tätigkeiten, die vorher nicht erforderlich waren. Darüber hinaus strebt die EU nur noch die sog. neue Generation von Freihandelsabkommen an, die breit und umfassend angelegt sind. Die Abkommen betreffen nicht nur tarifäre Fragen, wie z.B. eine Zollfreiheit für Ursprungswaren, sondern enthalten auch Regelungen zu Dienstleistungen, zum Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse (z.B. Einfuhrgenehmigungen, Lizenzen) und anderen handelsrechtlichen Aspekten wie Investitionen und Wettbewerbsfragen.

Selbiges gilt auch für einen Beitritt Großbritanniens zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR. Dieses Szenario dürfte aber als eher unwahrscheinlich gelten, da der EWR eine Freihandelszone zwischen der EU und den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA – Norwegen, Island, Liechtenstein) darstellt, die neben gegenseitigen Präferenzgewährungen auch bestimmte Anpassungen der EFTA-Staaten an EU-Recht vorsieht. So haben sich die EFTA-Staaten unter anderem verpflichtet, die vier Grundfreiheiten des Einheitlichen Binnenmarktes, nämlich freier Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie Wettbewerbsregeln der EU in innerstaatliches Recht zu übernehmen. Das dürfte nicht im Interesse der Brexit-Befürworter sein.

Von der innergemeinschaftlichen Lieferung zur zollrechtlichen Ausfuhr

Noch ist Großbritannien Mitglied der EU, so dass bei Warensendung innerhalb der EU für sog. Unionswaren (EU-Ursprungswaren und verzollte Drittlandswaren) keine Zollformalitäten erforderlich sind und keine Zölle erhoben werden (Binnenmarktprinzip). Stattdessen unterliegen diese Warensendungen der umsatzsteuerlichen Erwerbsbesteuerung. Für verbrauchsteuerpflichtige Waren wie z.B. Tabak, alkoholische Getränke oder Energieerzeugnisse sind Überwachungspflichten und die nationalen Verbrauchsteuerbestimmungen einzuhalten.

Anforderungen an bestimmte Dokumente bestehen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in andere EU-Mitgliedstaaten faktisch nicht. In der Praxis werden jedoch meistens Lieferscheine, Handelsrechnungen und Frachtbriefe die Sendungen begleiten. Ähnlich sieht es bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Lieferanten aus anderen EU-Mitgliedstaaten aus.

Mit dem Brexit verlässt Großbritannien die EU und somit den Binnenmarkt (falls keine Übergangsbestimmungen vereinbart werden). Folglich können Warensendungen zwischen Großbritannien und den EU-Mitgliedstaaten nicht mehr als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt werden, sondern sind als Ausfuhren in ein Drittland abzuwickeln. Folglich lebt das zollrechtliche Erfordernis auf, für jede nach Großbritannien zu exportierende Warensendung eine Ausfuhranmeldung abzugeben. Schwellenwerte, bei deren Überschreiten dann Zollanmeldungen abzugeben sind, ähnlich der Intrastat-Meldeschwellen für innergemeinschaftliche Lieferungen und Erwerbe, kennt das Zollrecht nicht. Unabhängig vom Wert oder der Menge der Lieferungen von und nach Großbritannien wären bei einem Brexit künftig Zollanmeldungen durch die Wirtschaftsbeteiligten abzugeben.

Eine Ausfuhrzollanmeldung ist grundsätzlich auf elektronischem Wege abzugeben. In Deutschland wird hierfür das IT-Fachverfahren ATLAS-Ausfuhr genutzt. Dies bedeutet, dass die IT-Systeme dahingehend umgestellt werden müssen, dass Großbritannien als drittländisches Empfangsland einprogrammiert wird. Nur für Warensendungen mit einem Wert von bis zu EUR 1.000 und bis zu einem Höchstgewicht von 1.000 kg darf auf eine elektronische Ausfuhranmeldung verzichtet und stattdessen eine mündliche Ausfuhranmeldung an der Grenzzollstelle (Ausgangszollstelle) abgegeben werden. Unternehmen, die über Bewilligungen zur vereinfachten Ausfuhr verfügen (bspw. die früher erteilten Bewilligungen als Zugelassener Ausführer) sind gegebenenfalls anzupassen.

Für Ausfuhrsendungen sind gemäß den einschlägigen Zollvorschriften verschiedene Dokumente den Ausfuhranmeldungen beizufügen bzw. müssen zum Zeitpunkt der Zollanmeldung im Besitz des Zollanmelders sein und den Zollbehörden bei Nachfrage vorgelegt werden. Hierzu zählen alle Dokumente, aus denen sich die in der Zollanmeldung gemachten Angaben ergeben. Beispielhaft seien an dieser Stelle die Handelsrechnung bzw. Proforma-Rechnung für Zollzwecke (falls kein Verkauf stattfindet), Lieferschein, Packliste, Ursprungszeugnis, Warenverkehrsbescheinigung EUR.1, CMR-Frachtbrief, Luftfrachtbrief (AWB) oder Konnossemente (B/L) genannt.

Schließlich ist bei einem Brexit ist auch zu beachten, dass neben dem Zollrecht auch das Außenwirtschaftsrecht (Exportkontrolle) zu beachten ist. Warenlieferungen nach Großbritannien sowie Empfänger und kritische Endverwendungen sind im Licht der bestehenden exportkontrollrechtlichen Vorschriften abzuwickeln. Auch hier dürfte sich ein Anpassungsbedarf in den Unternehmen ergeben.

Wareneinfuhren aus Drittländern

Bislang war der deutsche Zoll bei Warensendungen von EU-Waren aus Großbritannien außen vor, es sei denn es ging um verbrauchsteuerpflichtige Waren. Dies ändert sich jedoch mit dem Brexit. Wenn Waren von außerhalb in das Zollgebiet der EU verbracht werden, unterliegen diese der zollrechtlichen Überwachung, bis sie einem Zollverfahren zugeführt werden. Damit die Waren in den Wirtschaftskreislauf der EU eingehen dürfen, sind sie in das Zollverfahren der „Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr“ anzumelden und Einfuhrabgaben (Zoll, Einfuhrumsatzsteuer, ggf. besondere Verbrauchsteuern) zu entrichten. Folglich müssen für Warensendungen aus Großbritannien in die EU mit dem Brexit auch Einfuhrverzollungen vorgenommen werden. Auch hier müsste – wie bei der Ausfuhr – eine Anpassung der IT-Systeme wie auch der dem Unternehmen gegebenenfalls erteilten Bewilligungen erfolgen.

Die Höhe der Einfuhrabgaben bei einer Einfuhr richtet sich dabei nach den drei Faktoren Zolltarif, Zollwert und (präferenzielles) Ursprungsland. Beim Bezug von Waren aus Großbritannien nach dem Austritt aus der EU könnten nach heutigem Stand Zollsätze wie beim Warenbezug aus den USA oder China anwendbar sein, wenn es die Verhandlungsführer nicht schaffen sollten, präferenzrechtliche Vereinbarungen zu treffen. Dies bedeutet steigende Beschaffungskosten für Lieferungen aus Großbritannien.

Darüber hinaus kann es zu zeitlichen Verzögerungen aufgrund von Zollbeschauen kommen. Wird dann auch noch ein Antrag auf Durchführung einer Amtshandlung außerhalb des Amtsplatzes gestellt, damit die Warensendung z.B. in den Lagerräumlichkeiten des beauftragten Frachtführers verbleiben kann und nicht zur Zollstelle gefahren werden muss, kommen zusätzliche Kosten auf die Unternehmen zu. Gemäß § 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Zollkostenverordnung beträgt die Stundengebühr für solche Amtshandlungen EUR 45,00 pro Zollbeamten.

Fazit und Praxishinweise Zoll- und Außenwirtschaftsrecht

Unternehmen sollten sich frühzeitig mit dem Thema „Brexit“ auseinandersetzen, damit der Ablauf der Versand- und Wareneingangsprozesse im Warenverkehr mit Großbritannien auch nach dem 29. März 2019 noch reibungslos funktioniert und zusätzliche administrative Tätigkeiten auf das Minimum reduziert werden können. Zollrechtliche Bewilligungen, die bei der Ein- bzw. Ausfuhr genutzt werden, dürfen hierbei nicht vergessen werden. Darüber hinaus ist die notwendige Umstellung der IT-Systeme zu beachten, so dass Unternehmen gut beraten sind, dies rechtzeitig bei ihren IT-Providern nachzufragen. Auch ist im Auge zu behalten, ob es ggf. eine Vereinbarung zu Zollpräferenzen geschlossen wird, um Drittlandszölle zu vermeiden. Ferner darf im Bereich Ausfuhr die Exportkontrolle im Unternehmen nicht vernachlässigt werden, die gegebenenfalls weitere Anpassungen benötigt.

Durch die Aufnahme relevanter interner und externer Prozesse können die im Unternehmen bereits etablierten zollrechtlich relevanten Arbeitsabläufe hinterfragt und den tatsächlichen rechtlichen Anforderungen kritisch gegenübergestellt werden. Schwieriger und aufwendiger dürfte ein Brexit für Unternehmen werden, die bislang kaum zollrechtliche Berührungspunkte haben. Hier müssen frühzeitig adäquate Prozesse für die Ein- und Ausfuhren im Warenverkehr mit Großbritannien entworfen werden, damit diese rechtzeitig mit dem Brexit angewandt werden können. Gegebenenfalls können in diesem Zusammenhang Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten inklusive der Vertretungsregeln (neu) festgelegt und in Arbeits- und Organisationsanweisungen beschrieben werden. Möglicherweise können sogar Arbeitsabläufe optimiert und Risiken reduziert werden, um wenigstens an dieser Stelle auch Vorteile aus dem Brexit zu ziehen.

COMMENTS

There are no comments yet.